body talks - MEINE SCHWANGERSCHAFT

In diesem Body Talk schreibt Lisa über ihre Schwangerschaft und wie sie sich währenddessen und Postpartum in ihrem Körper gefühlt hat.
An dieser Stelle: danke Lisa, fürs Teilen und Öffnen!

Lisa: 30 Jahre, weiblich

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er hat sich als Kind bzw. speziell weiblich gelesene Person geboren in den 90ern in seinem Aufwachsen nicht schonmal mit dem Aussehen seines Körpers beschäftigt? Ich traue mich zu sagen, wenige, ev. sogar niemand. Wer kann sich nicht erinnern. Der Trend damals: spindeldürr. Der Trend heute: Hour Glass. Was sich nicht geändert hat: dass unsere Körperformen im Kapitalismus als Trends verkauft werden. Was sich ein bisschen geändert hat, zumindest bei mir ist, wie ich meinen Körper sehe bzw. dass ich überhaupt sehe, was da passiert.

In der Pubertät ist, wenn ich mich richtig erinnere, kein Tag vergangen an dem ich mir nicht gewünscht habe, ich wäre dünner und just for the record: ich war nie “Mehrgewicht”, aber auch nie dünn. Nicht geholfen hat dabei die Verwandte die zu mir sagte: „Gott sei Dank bist du nicht so dürr wie die anderen“ - genau das wollte ich nämlich immer. Auch mein 60-jähriger Arbeitskollege im Restaurant in dem ich meine erste Ferialstelle als Kellnerin hatte meinte, „in deinem Alter hab ich schon sehr auf meinen Körper geschaut, das Baucherl wäre bei mir nicht drin gewesen“ und deutete auf meinen Bauch. Ich glaube ich kann von Glück reden, dass ich keine der 30 Diäten die ich (zum Teil mit meiner Mutter) angefangen habe, auch durchhielt und nie begonnen habe Kalorien zu zählen. Mein Verhältnis zum Essen war trotzdem phasenweise gestört.

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Mein ganzes Leben lang haben mich Gedanken über meinen Körper bzw. die paar Kilo, die ich in meinen Augen zu viel hatte begleitet bzw. eingenommen. Sie tun es bis heute noch. Durch die Body positivity/neutrality Bewegung hab ich Texte auf Instagram gelesen, Content darüber konsumiert und mich bei einigen Creators wiedergefunden und bin draufgekommen: ich steh nicht alleine da und mir wurde bewusst, dass diese Idee ihren kapitalistischen Sinn hat.

Schon Jahre bevor ich letztes Jahr schwanger wurde, habe ich manchmal mehr manchmal weniger an meiner Body Dismorphia, meinem verschobenen Selbstbild gearbeitet. Body Dismorphia hat gepasst und passt immernoch auf mich. Wenn ich mir heute Fotos von vor 3 Jahren anschaue denk ich mir: Mensch, du hast so toll ausgesehen und dich so fertig gemacht.

Illustration einer Schwangeren Lisa von Katharina Lorenz

Ich trauere um die Zeit in der mich negative Gedanken aufgefressen haben, in der ich mein Leben in meinem normschönen Körper nicht genießen konnte weil ich mir für die „paar Kilo zuviel“ geschämt habe, immer dünner sein wollte, neidisch auf die dünnen Mädels war. Und grade merke ich es schmerzt mehr das aufzuschreiben als gedacht.

Zurück zu meiner Schwangerschaft. Es ist extrem erleben zu dürfen wie sich der eigene Körper in der Schwangerschaft verändert. Das Erste mal hab ich drauf gewartet, dass mein Bauch mehr wird, dass er sichtbar wird. Wohlwissend, dass ich nicht eine von den Frauen bin, bei denen sich ausschließlich der Bauch zeigt sondern auch andere Teile des Körpers verändern, hatte ich auch Angst. Angst auseinanderzugehen wie ein gelungener Pizzateig. Und das allein muss man sich mal vorstellen. Was so normal klingt ist so absurd, wenn man einen Schritt zurück tritt. Es wächst so ein ganzer Mensch in dir heran, mit allem drum und dran, und du machst dir Gedanken, ob du zu viel zu nimmst und wie du das dann am besten wieder wegbekommst. Da hat die Diät-Industrie ganze Arbeit geleistet würd ich sagen. Da mir das aber in dem Moment auch bewusst war, konnte ich diese Gedanken meist links liegen lassen und mich wunderbar rund und toll fühlen. Rückblickend hab ich es geliebt so zu wachsen und speziell als sich der kleine Zwerg dann bemerkbar gemacht hat war das schon einzigartig toll für mich. Was für ein Wunder der weibliche Körper eigentlich ist.

 

Illustration von Lisa mit Baby Mateo von Katharina Lorenz

Nach der Schwangerschaft die große Ernüchterung. Sicher war ich irgendwie drauf gefasst. Ich wusste das braucht Zeit, ich ahnte, das wird nie wieder so wie vorher. Die Lektion die ich lerne, gerade jetzt, 6 Monate nach der Geburt meines gesunden, wunderhübschen Sohnes: dein Körper verändert sich mit den Phasen deines Lebens und das ist gut so. Der Körper ist so unwichtig und doch so wichtig. Es ist so unwichtig wie er aussieht und es ist so wichtig, dass er funktioniert.

Mehr als zu versuchen meinen Körper zu lieben hilft mir glaube ich, meinen Körper als Hülle zu sehen in der ich leben darf, die mir mein Leben ermöglicht und noch dazu: die meinen Sohn genährt hat! Anstatt mich zu zwingen meinen Körper zu lieben, was an den meisten Tagen nicht gelingt, versuch ich dankbar zu sein was er alles für mich macht.

Ich bin sehr froh mich Jahre vor der Schwangerschaft schon mit meinem Körper auseinandergesetzt zu haben, da der Post Partum Body für mich einfach nochmal ein anderes Level ist. Ich für meinen Teil hab nicht nur zugenommen sondern meine Körperform hat sich komplett verändert. Mehr Busen (weil ich stille), der hängt und noch mehr hängen wird nachdem ich abgestillt habe. Mehr Bauch inklusive Dehnungsstreifen, der langsam ein bisschen schmilzt. Weniger Po, keine Ahnung wo der hin ist. Mehr Oberschenkel, weil das ja alles auch getragen werden muss. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie miserabel es mir ginge, wäre ich mit 20 schwanger geworden. Nicht wegen dem Alter sondern wegen der verschobenen Sicht auf meinen Körper.

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