Brustkrebs
Obwohl ich wusste, dass die Wahrscheinlichkeit an Brustkrebs zu erkranken bei 12,5% liegt (bei Frauen* zwischen 45-60 Jahre), habe ich mich eigentlich davon unbetroffen gefühlt. Nicht nur, weil in meiner Familie keine Brustkrebserkrankungen bekannt sind (abgesehen von meiner Urgroßmutter väterlicherseits, bei ihr wurde der Brustkrebs im Alter von über 90 Jahren festgestellt), sondern weil ich in meinem Verständnis schlicht weg zu jung (36) dafür war.
Ich ertastete am 07.02.2021 einen Knoten in meiner rechten Brust. Anfang August 2020, also bloß 6 Monate zuvor, war ich bei meiner Gynäkologin (die Vorsorgeuntersuchungen, die für meine Alterskategorie vorgesehen sind, ließ ich zweimal jährlich durchführen), im Zuge der Brustabtastung konnte sie nichts Auffälliges finden. Plötzlich fühlte ich allerdings etwas Hartes. Beim Streichen über die untere Brustfläche konnte ich im unteren, inneren Quadranten meiner Brust etwas ertasten, was mich sofort nervös machte. Da ich sehr regelmäßig meine Brüste abtastete war mir diese Entdeckung gänzlich unerklärlich. Wie konnte innerhalb eines halben Jahres etwas in mir wachsen, wovon ich nichts merkte. Ich kann mich heute an diesen Moment erinnern als wäre er vor einer Sekunde gewesen: mir wurde mulmig in der Magengegend, mein Puls erhöhte sich, ich spürte meinen Herzschlag in meinem Hals pochen und die einzigen Gedanken, die in meinem Kopf kreisten, waren Sterben, Tod und die verbleibende Zeit, die mir wohl noch bleiben würde. Betrachtet Frau* die Statistiken, erschien meine Panik irrational. Diese Angst war für mich jedoch äußerst gerechtfertigt, ist doch eine sehr junge Frau* in meinem engsten Umfeld bloß 18 Monate zuvor an Brustkrebs erkrankt.
Ich kann nicht beurteilen, ob eine Kassenärztin ebenso schnell und unkompliziert reagiert hätte, jedenfalls habe ich von meiner Wahlärztin sofort eine Überweisung für einen Mammografie erhalten. Tipp: Da ich zum Zeitpunkt der Entdeckung meiner Brustkrebserkrankung am Land war, kann ich nun nicht genau beurteilen, ob ich die Untersuchung so schnell erhalten habe, weil ich am Land war oder weil ich mit Verdacht auf Brustkrebs weiterverwiesen wurde. Egal wie es war, sagt in jedem Fall dazu, dass Verdacht auf Krebs vorliegt und ihr nicht nur einen einzigen Tag warten wollt, um Gewissheit zu haben. In Wien (zumindest in dem Diagnosezentrum, in dem ich bin) ist es jedenfalls so, dass du ziemlich schnell MRT, Mammografien oder Sonografien der Mammae (Brüste) bekommst, wenn Krebs in Aussicht steht. Am 11.02.2021 bekam ich also sehr nüchtern und empathielos seitens einer Radiologin mitgeteilt: An Ihrer Stelle möchte man [sic!] keine Zeit verlieren und sofort weitermachen, am besten mit einer Biopsie. Mir wurde die Dringlichkeit so langsam bewusst, als ich nicht nur die Bilder sofort erhielt, sondern ebenfalls den Befund dazu. Dauert dies normalerweise zumindest 24 Stunden.
BIRADS 5 stand damals als Endergebnis auf der Befundung der ersten Mammografie. Obwohl meine Gynäkologin sofort eine Befundbesprechung via Telefon mit mir durchgeführt hat, und mir tatsächlich bestätigt hat, dass es Brustkrebs ist, hatte ich noch Hoffnung, dass sich im Zuge der Biopsie des Knotens doch eine Entwarnung ergeben würde. Doch zur selben Zeit hatte ich Angst, dass sich der Krebs in einem fortgeschrittenen Stadium befindet und bereits gestreut haben könnte. Dies versuchte mir meine damalige Ärztin auszureden, indem sie mit Statistiken und Wahrscheinlichkeiten argumentierte. Statistiken und Wahrscheinlichkeiten helfen einem nicht vor der Angst zu sterben, vor allem nicht, wenn oben genannte Person mit metastasiertem Brustkrebs diagnostiziert wurde. Heute weiß ich was BIRADS 5 bedeutet: mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an Krebs erkrankt zu sein.
Tipp: Fühlst du tatsächlich etwas Auffälliges in deiner Brust, scheue dich nicht davor, unverzüglich um eine Überweisung für weitere Untersuchungen, wie beispielsweise eine Mammografie, zu erbitten. Ich habe tatsächlich einen Tag gewartet, weil ich annahm, dass ich aufgrund einer Ferndiagnose keine Überweisung bekommen würde und weil ich Angst hatte, was passieren würde, sollte dies ein Fehlalarm sein. Retrospektiv betrachtet ärgere ich mich über meinen eigenen Kleingeist. Spielt das denn überhaupt eine Rolle was sich Menschen/Institutionen denken, sollte ich eine Leistung der ÖGK in Anspruch genommen haben, die mir aufgrund meines Alters noch gar nicht zugestanden wäre, und eine Entwarnung ergeben hätte?
Mein nächster Schritt war, meiner Vorgesetzten Bescheid zu geben. Rechtlich gesehen bist du nicht verpflichtet, den Krankheitsgrund bekannt zu geben, ich für mich habe von Beginn an mit offenen Karten gespielt. Ich wollte das so, ich würde es auch wieder so handhaben. Es gibt aber Menschen, die ihre Krebserkrankung nicht an die „große Glocke“ hängen wollen, die erzählen nicht, weshalb sie im Krankenstand sind. Auch diese Entscheidung ist legitim und unter keinsten Umständen von irgendjemandem in Frag zu stellen.
Da meine damalige Gynäkologin in Wien war, bin ich sofort in die Stadt zurückgefahren, um zu erfahren wie es nun mit meiner Behandlung weitergehen sollte. Die Tage fühlten sich endlos an. Mein nächster Termin war am 16.02.2021 in einem der Wiener Spitäler anberaumt, gefühlt lagen aber Wochen zwischen den Untersuchungen. Dort wurde erneut eine Mammografie durchgeführt, jedoch mit einem hochauflösenden Gerät, im Vergleich zur ersten Untersuchung am Land. Nach dieser Untersuchung wurde die Bildgebung auf ein BIRADS 4c runtergestuft. Ich muss wohl niemandem erzählen, dass ich aufgrund meines Status‘ als Laiin wieder begann Hoffnung zu haben, doch nicht an Brustkrebs erkrankt zu sein. Zwei Tage später, am 18.02.2021, wurde spontan ein MRT-Termin frei, weshalb die Radiologin im Krankenhaus meinte, dass zur Sicherheit diese Untersuchung gemacht werden sollte. Ich dachte immer noch, dass, je genauer die Untersuchungsmethode desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass ich doch keinen Krebs hätte.
Tipp: Bei einer MRT wird dir Kontrastmittel via Venflon zugefügt. Im Normalfall muss dieser Untersuchung eine Blutuntersuchung vorausgehen, um eine Nierenfehlfunktion ausschließen zu können. Solltest du solch eine haben, ist es problematisch Kontrastmittel verabreicht zu bekommen.
Als ich aus der „Röhre“ kam wurde ich ohne Befundbesprechung nachhause geschickt. Als ich dies hinterfragte, wurde mir bloß seitens der Person an der Rezeption mitgeteilt, dass die Besprechung nächste Woche im Zuge der nächsten Untersuchung stattfinden würde. Eine Woche später, am 23.02.21, wurden zwei der drei Tumore biopsiert. Zumindest dachte ich zu diesem Zeitpunkt, dass es bloß drei Tumore wären. Mir wurde erklärt, dass ein Tumor knapp 1cm Durchmesser hätte und die andere beiden etwas kleiner wären. Ich musst nüchtern um 8h morgens in der Klinik sein. Ich war aufgrund meines Nachnamens die letzte. Ich wurde erst um 15h aufgerufen. Aufgrund der Covid-19 Pandemie, war es mir nicht erlaubt meine Partnerin oder eine andere Vertrauensperson bei mir zu haben. Ich hatte riesengroße Angst vor der gesamten Situation, vor dem Unbekannten und die lieblosen Umstände im Spital verstärkte als diese negativen Gefühle. Die Untersuchung war im Nachhinein betrachtet die für mich schlimmste. Ich lag mit nacktem Oberkörper auf einer Liege, wurde festgeschnallt und bekam gesagt, dass ich mich ruhig verhalten müsse, da sonst das Stanzgerät nicht die gewünschte Stelle treffen würde. Nach mehrmaligen wiederholen, dass die örtlichen Betäubungsmittel noch nicht wirken würde, wurde die Ärztin leicht ungehalten und meinte zu mir, dass sie so etwas noch nicht erlebt hätte und kaum wahr sein könnte.
Tipp: Bestehe auf so viele Betäubungsspritzen wie du für nötig hältst, niemand weiß es besser als du selbst, ob du noch Schmerzen empfindest oder nicht.
Insgesamt wurde ich an zwei Stellen biopsiert, wobei an der zweiten Stelle ein weiteres Mal gestanzt werden musste, angeblich wurde der Tumor nicht ausreichend erwischt.
Aufgrund des Lokalanästhetikums hatte ich zwar keine Schmerzen, aber die gesamte Situation war schrecklich. Ich war schwach, mir war schwummrig, übel, ich hatte Angst und mir war einfach nur zum Weinen. Also lag ich festgezurrt auf dieser Liege, mit dem Spitalsgeruch in der Nase und den hellen Scheinwerfern im Auge, und versuchte meine ganze Kraft darauf zu konzentrieren nicht loszuheulen.
Eine Woche später sollte das Biopsieergebnis kommen, am besagten Tag erhielt ich einen Anruf seitens des Spitals und wurde vertröstet. Wie vorhin schon erwähnt, zwei Tage fühlen sich an wie eine Ewigkeit.
Am Donnerstag, den 4. März bekam ich das Biopsieergebnis vorgelegt. Es wurde eine Chirurgin (Onkochirurgie) mit der Befundbesprechung betraut. Aufgrund der Art und Weise, wie mir mein Befund erklärt wurde, hatte ich das Gefühl, dass mir zum einen eine Medizinstudierende vorgesetzt wurde, um zu üben und zum anderen wurde ich nicht wie eine erwachsene, mündige Person behandelt. Schwarz auf weiß wurde mir nun mitgeteilt, dass ich an folgendem Brustkrebs erkrankt sei: Multizentrisches Mammakarzinom mit einem G3 Grading sowie einem Ki-67 von 40%, HER2 negativ, Hormonrezeptor positiv. Als meine Frau* und ich nachfragten was dies nun zu bedeuten hätte wurde uns mitgeteilt, dass wir noch abwarten müssen, da das Tumorboard erst im Laufe des Vormittags zusammentreten würde und erst danach entschieden wird, welche Behandlung in meinem Fall am besten sein würde.
Ohne auf meine Frau* zu warten verließ ich das Spital und setzte mich weinend auf den Beifahrer:innensitz neben meine beste Freundin.
Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Um Fernmetastasierungen ausschließen zu können wird eine Knochenszintigrafie sowie eine Thorax/Abdomen CT gemacht. Das Krankenhaus schlug mir dafür Termine vor, die 1 bzw. 2 Wochen in der Zukunft lagen. Eine Ewigkeit, wenn frau auf solch entscheidende Untersuchungen solange warten muss.
Während ich bereits aus dem Krankenhaus geflohen bin und in meinem Selbstmitleid zerging, konnte meine Frau* erreichen, dass ich einen Soforttermin für die Knochenszintigrafie bekam. Diese Untersuchung erforderte ebenfalls eine Vorlaufzeit, jedoch bloß 2 Stunden, in welchen das radioaktive Kontrastmittel intravenös verabreicht wird. Als ich vorhin geschrieben habe, dass die Biopsie der Brust die schlimmste Untersuchung für mich war, hatte ich die Knochenszintigrafie gänzlich aus meinem Gedächtnis gestrichen. Ich musste alleine in den Untersuchungsbereich, meine Frau* musste im Wartebereich warten. Ausnahmsweise durfte sie als Begleitung ins Krankenhaus mitkommen, das war aber nur möglich, weil die Befundbesprechung dem Ganzen vorgelagert war und sie bereits im Krankenhausgebäude war.
Ich kann mich erinnern, dass ich komplett flach auf einer kalten Untersuchungsliege lag und direkt auf die Decke starrte. Es war ein steriler Raum, hell, an den Geruch kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich hatte so große Angst vor dem Ergebnis dieser Untersuchung, sodass ich trotz meines Glaubens an die Wissenschaft, alles Mögliche anflehte, mir zu helfen. Metastasen insbesondere Knochen- und Gehirnmetastasen waren und sind bis dato Befundungen, vor welchen ich mich am meisten fürchte. Sobald ich Schmerzen im Bewegungsapparat habe, denke ich über Wochen hinweg an nichts anderes, als dass ich sterben werde und wie ich mich am besten damit arrangiere. Zurück zum 04.03.21, es fühlte sich erneut wie eine Ewigkeit an bis die Untersuchung zu Ende war und eine Ärztin kam, um mit mir die Befunde zu besprechen. Es hieß von ihrer Seite: Kein Hinweis auf ossäre SBL (sprich keine Knochenmetastasen). Ich bin weinend in dem Untersuchungsraum zusammengebrochen. Die Ärztin war ob meiner Reaktion mehr als verwirrt, da sie vermutlich nicht oft mit einer weinend zusammenbrechenden Patient:in konfrontiert wird, die eigentlich eine krebsnegative Befundung erhält. Was sie nicht wusste: für mich war erst seit zwei Stunden klar, dass ich tatsächlich Krebs hatte. Bis dahin war ich naiver Weise davon ausgegangen, dass ich doch noch eine Chance hätte dieser Krankheit zu entrinnen.
04.03.2021 nachmittags: Es blieb mir also nichts anderes übrig als auf den Anruf der Chirurgin zu warten, um zu hören für welche Behandlung sich das Tumorboard aussprechen würde. Ein Tumorboard besteht aus Ärzt:innen mit etwaigen Fachrichtungen, die interdisziplinär die individuelle Situation einer Krebspatientin begutachten und bewerten.
Gegen 16h bekam ich den Anruf der Ärztin, sie teilte mir mit, dass sich der größere Teil der Ärzt:innen für eine neoadjuvante Chemotherapie (dies bedeutet, eine Chemotherapie vor anderen Eingriffen bspw. eine Mastektomie) und eine im Anschluss daran durchzuführende subkutane Mastektomie entschieden hätte. Was ich bisher wusste: ich habe drei kleinere Tumore, die im Frühstadium entdeckt wurden. Was ich nicht wusste: dass ich mehrere (mehr als drei) Tumore hatte, die beinahe in allen Quadranten meiner rechten Brust wuchsen und mir deshalb die rechte Brust abgenommen werden musste. Diese Information erhielt ich so explizit erst im Zuge des Anrufs.
Weil ich weiß bin, in Österreich geboren bin und deshalb ein soziales Netzwerk habe, welches mich anderen Krebspatient:innen gegenüber bevorteilt, hat mich mein Internist (eine nahe Verwandtschaft meiner Frau*) an seinen besten Freund verwiesen der zufällig Leiter eines Brustgesundheitszentrums (eines anderen Spitals, als jenes in dem ich die oben genannten Voruntersuchungen gemacht habe) ist. Noch am selben Abend des ereignisreichen 04.03.2021 durfte ich nach der für die Chemotherapie notwendige Voruntersuchung des Herzechos in die Praxis besagten Freundes weiterfahren. Dieser hat sofort alle notwendigen und noch offenen Untersuchungen (Thorax/Abdomen CT) eingeleitet und ist mit mir spät abends ins Spital gefahren, um die notwendige Blutabnahme in die Wege zu leiten. Am nächsten Tag bekam ich einen Notfall-Slot für die CT. Die Befunde dafür hat mir der Leiter des Brustgesundheitszentrums noch am selben Nachmittag telefonisch mitgeteilt. Außerdem vereinbarte er sofort einen Ersttermin in der Onkologie. Selbst bei diesem Gespräch ist er plötzlich aufgetaucht und hat mir das Gefühl gegeben, keine Nummer zu sein. Ich musste mich laut Onkologin sofort entscheiden, ob ich Vorkehrungen bezüglich der Möglichkeit selbst Kinder austragen zu wollen treffen wollte oder nicht, was mich unglaublich panisch machte. Nicht, dass ich jemals einen ausgeprägten Kinderwunsch gehabt hatte, aber das Wissen, dass mit Beginn der Chemotherapie meine Entscheidungsmöglichkeit vorbei sein würde ohne, dass ich diese Entscheidung revidieren konnte, aber auch die Tatsache, dass mir die Möglichkeit genommen wurde, mit meiner Frau* gemeinsam die Entscheidung zu treffen, machte mich panisch. Covid-19 war zu diesem Zeitpunkt eine starke Komponente, die vieles im Laufe meines Behandlungszeitraumes beeinflusste. Eben auch die Tatsache, dass ich alle Termine alleine hinter mich bringen musste. Meine Frau* wartete im Auto vor dem Spital, als besagter Leiter des BGZ (Brustgesundheitszentrums) meinte, dass dies sehr wohl eine Entscheidung sei, welche wir zusammen, also meine Frau* und ich, treffen müssten. Daher hat er sie eingeschleust und wir hatten tatsächlich die Möglichkeit, alles durchzubesprechen. Ich hatte nach diesem Gespräch noch nicht ganz mit der Idee selbst Kinder zu bekommen abgeschlossen. Der gute Freund der Verwandten meiner Frau* nahm sich erneut Zeit, setzte sich zu uns und erklärte mir diverse Risiken und Möglichkeiten. Es gab drei Möglichkeiten: Einen Teil meiner Eierstöcke einfrieren zu lassen (eher schlechte Erfahrungswerte bezüglich Erfolgsgarantie doch Kinder bekommen zu können), meiner Eier einfrieren zu lassen (bessere Aussichtschancen) und monatlich eine Spritze zu bekommen, die meine Eierstöcke vor der Chemotherapie schützt. Die letzte Überlegung wäre die mir am sympathischste gewesen, jedoch hätte sich dadurch der erste Zyklus meiner Chemotherapie verzögert. Als mir der Arzt erklärte, welchen Risiken ich mich aussetzen würde, sollte ich mich für eine Schwangerschaft entscheiden, war die Entscheidung schnell gefällt. Ich habe bereits geschrieben, dass der Krebs den ich hatte sich quasi von Sexualhormonen „ernährt“ hat, besonders Östrogen und Progesteron. Diese Hormone werden unter anderem in höherem Maße im Zuge einer Schwangerschaft produziert. Für mich war somit der Gedanke, selbst ein Kind auszutragen, abgeschlossen und hinfällig geworden.
Ich habe mich nie explizit beim Leiter des BGZ bedankt, mit seiner Hilfe und Anwesenheit hat er mich wahnsinnig beruhigt und mir das Gefühl gegeben, dass wir das gemeinsam schaffen.
Tipp: Solltest du nicht wissen, an welche Klinik du dich wenden kannst, frage nach meinem Kontakt bei der Blog-Betreiberin und setze dich mit mir in Verbindung. Ich werde dir alles was ich weiß und was ich gerne im Vorfeld gewusst hätte erzählen und mitteilen.
Tipp: Die österreichische Krebshilfe hilft dir in jedem Fall in allen Belangen weiter. Homepage: https://www.krebshilfe.net/beratung-hilfe/beratungsstellen/wien
Solltest du keinen Internetzugang haben, findest du hier die Adresse:
PIER 50, 1200 Wien
Brigittenauer Lände 50-54/4. Stiege/5. OG
Eingang Treustraße 35-43/4. Stiege
(U4 Station Friedensbrücke)
Kostenlose Hotline: 0800 699 900
Tel. (01) 408 70 48
Fax: (01) 408 70 48-35
E-Mail: beratung(at)krebshilfe-wien.at
Telefonisch erreichbar: Montag bis Freitag 9:00 - 12:00 Uhr
Tipp: Auch wenn du andere Sorgen hast, kümmere dich um einen Therapieplatz. Du wirst (onko)psychotherapeutische Hilfe brauchen.
Hier findest du zwei Homepages, die dir dabei helfen einen kostenlosen Kassenplatz zu bekommen, diese sind zwar rar, aber es gibt sie: http://www.vap.or.at/ Telefon: 01/402 56 96
https://www.wgpv.at/ (hier kannst du selbst nach freien Kassenplätzen suchen).
Tipp: Sobald du dich entschieden hast in welchem Krankenhaus du die Behandlung (Chemotherapie, Bestrahlung, etc.) machen möchtest, frage dort nach psychologischer Betreuung. Ebenso kannst du nach physischer Unterstützung und Ernährungsberatung fragen.
08.03.2021 Am Frauen*kampftag hatte ich also meine erste Chemotherapie. Das Spital in dem ich behandelt wurde bietet kostenlos die Kühlhaube an. Dies bedeutet, dass du während der Chemotherapie eine Haube trägst, die sieht aus, als ob du einen Tauchanzug tragen würdest, die an ein Kühlgerät angeschlossen ist. Diese Haube kühlt deinen Kopf, genauer gesagt die Haarwurzeln, auf unter 2 Grad Celsius. Dies soll dazu führen, dass die Chemotherapie nicht in deine Haarwurzeln eindringen kann, weil sich die Gefäße aufgrund der Kälte dermaßen verengen. Das Ergebnis ist, dass du vielleicht dein Haar am Kopf nicht verlierst. Nachdem ich diese Prozedur von über 9h über mich ergehen ließ, war mir klar, dass dies eine zusätzliche Belastung für mich wäre und ich ohnehin wieder einmal eine Glatze tragen wollte. Außerdem, was ist das für ein Zeichen, an die Optik zu denken, am Frauenkampftag, am Tag, an dem wir besonders gegen das Patriarchat ankämpfen. Das Patriachat, welches uns Frauen* überhaupt vorschreibt wie wir als Frau* auszusehen haben um dem stereotypen Bild einer richtigen Frau* zu entsprechen. Ich habe mich somit ziemlich bald dazu entschlossen, die Chemotherapie ohne Kühlhaube fortzusetzen, wobei ich tatsächlich ein schlechtes Gewissen hatte, da mir ja die Chance eingeräumt wurde, diese "tolle" Möglichkeit (kostenlos) in Anspruch zu nehmen.
Tipp: Wenn du dich wohler fühlst während der Chemotherapie mit Haaren, dann frag nach der Kühlhaube oder nach einer Überweisung für eine Perücke. Achtung, die Kühlhaube wird nicht in jedem Spital angeboten und ist soweit ich weiß nicht in jedem Spital kostenfrei. Viele Menschen fühlen sich wohler, wenn sie dem gewohnten Spiegelbild entgegenblicken.
Normalerweise fühlst du dich nach einer Woche der Chemotherapie am schlechtesten, dies dauert etliche Tage an, bevor es wieder bergauf geht. Damals dachte ich, dass es mir nicht schlechter gehen könne als in dieser ersten Woche des ersten Chemo-Zyklus, falsch gedacht.
12.03.21 Am Freitag nach der ersten Chemotherapie hatte ich eine MRT des Gehirns, um Metastasen auszuschließen. Die Angst in mir stieg und stieg ins Unermessliche. Erschwerend kamen die körperlichen Schmerzen hinzu. Nach einer gefühlten Ewigkeit bekam ich den erleichternden Befund.
22.03.21 Die erste Chemotherapie bekam ich intravenös in meinen rechten Arm, bis heute ist eine Verfärbung zu erkennen. Um Nekrosen zu verhindern, wurde mir empfohlen, mir einen Port-a-Cath legen zu lassen. Dies ist ein venöser Zugang zum Blutkreislauf, unter der Haut liegend. Er wird bei jeder Chemotherapie angestochen (also durch die Haut gestochen) um das Medikament direkt in die Vene fließen zu lassen. Dafür musste ich am 22.03.2021 in Krankenhaus, wo ich gegen 22h den medizinischen Eingriff hatte.
Ein Chemo-Zyklus dauerte bei mir 21 Tage, am 22. Tag begann der nächste Zyklus. Die ersten 4 Zyklen bekam ich Epirubicin und die zweiten 4 Zyklen Taxotere. Meine letzte Chemotherapie hatte ich am 02.08.2021. Was dich während dieser beinahe 6 Monate erwartet, erzähle ich nicht, das würde eindeutig den Rahmen sprengen.
31.08.2021 Ich wurde am 30.08.2021 im Spital aufgenommen und für die OP am Folgetag vorbereitet. Dafür wurde ich mit einer radioaktiven Substanz markiert (wurde mir mittels Nadelstiche in einem dafür zuständigen Labor zugefügt). Dadurch sollten die Krebszellen angereichert werden, um bei der OP sichtbar zu werden. Zwei andere Brustkrebspatientinnen und ich wurden mittels eines eigens dafür organisierten Transports in das Labor gebracht und wieder abgeholt.
Ich war gleich die erste, die an diesem Tag operiert wurde, bereits um 6h wurde ich von der diplomierten Krankenpflegerin aufgeweckt und instruiert. Eine Aufgabe davon war, mir Stützstrümpfe anzulegen, dies war tatsächlich eine Herausforderung für mich. Ich war ziemlich aufgeregt, ich kann mich aber nicht mehr erinnern, wovor ich die meiste Angst hatte.
Als ich gegen Mittag aufwachte, hatte ich wahnsinnige Schmerzen und bereits den Kompressions-BH an. Es wurde nach der Mastektomie (also die vollständige Entfernung der Brust) eine Sofortrekonstruktion der Brust durchgeführt. Das bedeutet, dass ich nun eine Brust habe, die ausschließlich aus Silikon besteht, und eine „Originalbrust“ (jene die nicht vom Krebs befallen war). Da die beiden Brüste optisch stark divergieren, kann eine Kostenübernahme der optischen Brustangleichungs-OP bei der Krankenkasse (in meinem Fall ÖGK) angesucht werden.
Tipp: Lass dir von deiner Chirurgin ein Ansuchen verfassen und schicke es an die ÖGK.
15.09.2021 Besprechung der Gewebsentnahme im Zuge der Mastektomie. Bei einer Brustoperation, egal ob sie erhalten bleibt oder ganz entfernt wird, werden ein bis zwei Sentinel-Lymphknoten entfernt. Um gleich im Zuge der OP zu sehen, ob der Krebs bereits in die naheliegenden Lymphknoten in der Achsel gestreut hat, wird ein sogenannter Gefrierschnitt gemacht. Das ist eine Sofortanalyse. Bei mir war diese negativ, also frei von Krebszellen. Im Zuge der genaueren Untersuchung wurde festgestellt, dass einer der beiden mir entnommenen Lymphknoten mehrere Mikrometastasen aufwies. Mikrometastasen werden Krebszellen genannt die eine Größe von 0,2mm-2mm aufweisen. Diese Diagnose hat erneut meine Welt komplett durcheinandergebracht, wurde mir doch immer wieder aufs Neue bestätigt, dass meine Lymphknoten in der Achsel unauffällig aussehen. Mein behandelnder Arzt meinte, dass nach den Brustkrebsleitlinien keine weitere Behandlung notwendig wäre. In diesem Zusammenhang spricht frau von einer Bestrahlung oder einer Entfernung der Lymphknoten in der Achsel. Ab diesem Zeitpunkt habe ich nie wieder aufhören können darüber nachzudenken, wo denn noch Krebszellen in meinem Körper sein könnten. Da ich diesen Gedanken nicht mehr loswurde, habe ich mir eine Zweitmeinung eingeholt.
22.10.2021 Das Tumorboard des Krankenhauses, in dem ich mir eine Zweitmeinung einholte, entschied sehr schnell und einstimmig, dass eine Axilla Dissektion sehr empfehlenswert wäre. Am Geburtstag meiner Frau* wurde ich also erneut operiert. Diesmal musste ich sogar 9 Tage im Spital bleiben, länger als bei der Mastektomie.
Zwei Wochen später bekam ich das erleichternde Ergebnis: keine der 11 entnommenen Lymphknoten wurden positiv auf Krebszellen getestet.
Danach stand noch die Entscheidung aus, eine Bestrahlung über mich ergehen zu lassen. Aufgrund meines Alters, der Aggressivität meiner Krebses und der Größe des Tumors wurde jedenfalls darüber nachgedacht zusätzlich zur Chemotherapie und den beiden OPs eine Bestrahlung durchzuführen. Schlussendlich habe ich mich gegen eine Bestrahlung entschieden. Die Leitlinie konnte in meinem Fall keine klare Aussage treffen, es hieß, mein Fall wäre ein Graubereich und eine klare Empfehlung für oder entgegen einer Bestrahlung könne nicht gegeben werden. Es war nun meine Entscheidung. Ich entschied mich gegen eine Bestrahlung. Ich kann nicht sagen, ob dies die richtige oder falsche Entscheidung war, bisher sind die Bildgebungen jedenfalls nicht auffällig, oder nicht auffällig genug, um die damalige Entscheidung zu bereuen.
Die Brustangleichungsoperation hatte ich am 29.09.2022.
Tipp: Solltest du eine Mastektomie mit Sofortrekonstruktion haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich an der operierten Brust optisch etwas ändert, unwahrscheinlich, daher brauchst du nicht so lange warten mit der optischen Angleichung. Such sobald wie möglich bei der ÖGK darum an.
- Sylvia, Weiblich*, weiß, lesbisch, 36, Akademikerin
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